Zerbin, oder die neuere Philosophie by Jakob Michael Reinhold Lenz

Zerbin, oder die neuere Philosophie by Jakob Michael Reinhold Lenz

Autor:Jakob Michael Reinhold Lenz [Lenz, Jakob Michael Reinhold]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Germany -- Social life and customs -- 18th century -- Fiction
Herausgeber: MOST Publishing
veröffentlicht: 2004-10-31T16:00:00+00:00


Ich aber steh, und stampf, und glühe,

Und flieg im Geiste hin zu ihr,

Und bleib, indem ich zu ihr fliehe,

Stets unstet, aber immer hier,

Weil, bis mich Glück und Freundschaft retten,

Die oft ein langer Schlaf befällt,

Mich hier, mit diamantnen Ketten,

Das Schicksal angefesselt hält.

Uz.

Obzwar Hohendorf itzt fast gar keinen Zutritt in dem Hause mehr hatte, oder doch wenigstens von dem Idol seiner Wünsche allemal sehr frostig empfangen ward: so blieb doch ein gewisser Zauber um dieses Kaffeehaus schweben; er fühlte allemal nach dem Essen einen geheimen Zug hinzugehen, von dem er sich selbst nicht Rechenschaft zu geben wußte. Da sah er denn sein geliebtes Renatchen sehr oft mit Altheimen am Fenster, und rächte sich, oder glaubte sich mit verachtungsvollen Blicken recht herzlich an ihnen zu rächen. Altheim selbst kam auch noch bisweilen dahin, wenn Renatchen etwa sich nicht sprechen ließ, oder einen Besuch bei einer Verwandtin machte, die er nicht wohl leiden konnte, weil sie beiden immer so spitzfindige Reden gab.

An einem dieser Nachmittage kam Hohendorf mit Altheim in einem Billardspiel, wo mehrere Personen um den Einsatz spielten, in einer sogenannten Guerre zusammen, und es traf sich unglücklicherweise, daß die beiden Nebenbuhler grade aufeinander folgen mußten. Hohendorf, der schon lang eine Gelegenheit an Altheim suchte, machte, ohne daß es ihm selbst Vorteil brachte, seinen Ballen, welches wider die Regel vom Spiel ist. Altheim zeigte seinen Verdruß darüber; Hohendorf schüttelte lächelnd den Kopf; als die Reihe wieder an ihn kam, machte er, nun wirklich unversehens und wider Willen, den Ballen des Altheim zum andernmal. Altheim, fest versichert, daß dies in der Absicht geschehe, ihn zu beleidigen, warf ihm den Billardstock ins Gesicht; sie griffen nach den Degen; man trennte sie; den andern Morgen ritten sie vor der Stadt hinaus ins Rosental, sich auf Pistolen zu schlagen, wo Altheim so glücklich oder so unglücklich war, seinen Gegner zu erlegen, und sich ungesäumt aus dem Staube machte, ohne nachher, weder seiner Geliebten, noch unserm Zerbin, seinem Mentor, jemals mit einer Silbe Nachricht von sich zu geben.

Zerbin wußte also auch die anderweitigen Schulden, die er, auf die Rechnung der vom Grafen zu bekommenden rückständigen Pension, gemacht hatte, nicht zu bezahlen; er mußte eine ganz andre Haushaltung anfangen. Um seinen Hausherrn in guter Laune zu erhalten, redete er nun, bisweilen rätselhaft, bisweilen ziemlich deutlich, von gewissen Absichten, die er auf seine Tochter hätte, deren Jugend und Schöne sehr stark zu sinken anfing. Sobald Marie bei ihren geheimen Zusammenkünften sich unruhig darüber bezeigte, wußte er sie mit der Notwendigkeit dieser Maskerade zufrieden zu sprechen, damit ihn der Herr des Hauses nicht wegen Hausmiete und Kostgeld mahnte, welches in der Tat auch nicht erfolgte, und seine Sicherheit und stillschweigende Verbindlichkeit gegen Hortensien immer größer machte. Seine ganze Hoffnung, der letzte Anker, den er ausgeworfen, stand nun auf die Antwort von seinem Vater. Man stelle sich Mariens Entzücken vor, als sie ihm selbst den Brief aus Berlin von dem Posthause brachte, und den Übergang zu ihrer Verzweiflung, als sie nun aus seinem Munde hörte, daß auch hier der Tau zerrissen sei.



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